Dass der Befreiung der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren nicht am 27. April, sondern am 2. Juli gedacht wird, verweist auf ein Ausrufezeichen in der Stadtgeschichte. Erst 55 Tage nach Kriegsende 1945 entdeckten US-amerikanische Soldaten den Ort, an dem auch nach der Übergabe Kaufbeurens an die Besatzer Menschen ermordet wurden, die den Nationalsozialisten und ihren Helfern als „lebensunwert“ galten. Warum den neuen Administratoren niemand einen Hinweis auf das Grauen gab, bleibt ein ungelöstes Rätsel. Hingegen führt die Frage, wie es Mediziner oder Pflegekräfte verantworten konnten, “Euthanasie“-Verbrechen und Krankenmorde zu begehen, an den Rand des Erträglichen.
„Wir blicken in einen Abgrund“, resümierte dementsprechend Staatsminister a. D. Ludwig Spaenle, dessen beeindruckende Rede auch die fortdauernde Verantwortung der Gesellschaft in den Fokus rückte. Erinnerung sei mehr „Arbeit“ denn „Kultur“, was die Schülerinnen und Schüler unseres Gymnasiums sicherlich unterschreiben würden.

Organisiert im P-Seminar „Euthanasie erinnern“, gestalteten sie ein Mahnmal, das im Rahmen der Gedenkfeier am vergangenen Dienstag enthüllt wurde. Ein Jahr lang hatten sie zusammen mit dem Künstler Andreas Knitz, in Kooperation mit dem Bezirksarchiv unter Dr. Petra Schweizer-Martinschek sowie der Klinikleitung ein Konzept erarbeitet, das im Dienste der Aufarbeitung hiesiger NS-Verbrechen stehen sollte. Dieses Ziel wurde eindrucksvoll erreicht, was auch Dario Krieger als verantwortliche Lehrkraft sowie die Seminarteilnehmer unterstreichen. Ihnen war es gelungen, die Originalteller, in denen bis 1945 die sogenannte „Hungerkost“ angereicht wurde, mittels Gravuren auszugestalten. Die so umgewidmeten Hinterlassenschaften markieren nun die Fassade des Eingangsportals am BKH und dokumentieren, dass in Kaufbeuren Aufarbeitung „durch die Bevölkerung“ geschehe, wie Professor Dr. Michael von Cranach in seiner Rede betonte. Auch das Jakob-Brucker-Gymnasium wollte sich diesem Prozess nicht verschließen, dankt aber gleichwohl allen Beteiligten sowie dem Zeitbild-Verlag für die großzügige finanzielle und ideelle Unterstützung. Vor allem gilt der Dank den Schülerinnen und Schülern, ohne deren Beiträge das Projekt keinen erfolgreichen Abschluss gefunden hätte.
Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte folgenden Beitrag zur Gedenkfeier:
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ns-krankenmorde-neuer-erinnerungsort-in-kaufbeuren,UGzz6LY